Der hohe Krankenstand hat Gründe, war sich Richard Wittmann am Mittwochabend sicher, als er bei der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) im Pfarrheim St. Johannes über die Arbeitsbedingungen in der Paketzustellbranche referierte. Als Termin hatte er den Josefitag gewählt, der von der KAB hochgehalten wird, weil auch die Bewegung im Bräutigam der Gottesmutter ihren Patron hat.
Die KAB’ler trafen sich nach einem gemeinsamen Gottesdienst, den Stadtpfarrer Gottfried Schubach in der Pfarrkirche zelebrierte. Wittmann ist Leiter der Betriebsseelsorge im Bistum Regensburg und warb um Beteiligung an der aktuellen KAB-Kampagne „Faires Paket“. Mit dieser Aktion wolle der Sozialverband die Bevölkerung auf die schwierige Situation der Beschäftigten in dieser Branche aufmerksam machen, sagte er. Es gehe aber auch darum, die Rechte der Beschäftigten zu stärken, damit diese „Ausbeutung vor unserer Haustür“ ende.
Zunächst ging Wittmann auf die Situation und Arbeitsbedingungen der Paketzusteller ein. Das Paketaufkommen sei in den letzten Jahren, insbesondere durch den Onlinehandel, stark gewachsen. 4,18 Milliarden Sendungen waren es 2023, rechnete Wittmann vor. Im Schnitt würden pro Tag fast 16 Millionen Sendungen zugestellt. Dafür beschäftigen die Unternehmen der Kurier-, Express- und Paketbranche etwa 300.000 Menschen.
Die Hälfte sei bei den Dienstleistern selber angestellt, die anderen vor allem bei Sub-Unternehmen. Einige seien Soloselbständige. Viele der Subunternehmen seien Kleinstbetriebe mit weniger als zehn Beschäftigten und unterlägen keinem Kündigungsschutz. Beschäftigte klagten hier nicht selten über unbezahlte Überstunden, Unfallschäden, die sie selbst übernehmen müssten, ungerechtfertigte Abmahnungen, befristete Verträge und Kündigungen bei Arbeitsunfähigkeit.
Der psychische Druck und die Arbeitsbelastung sei enorm hoch. Wegen der vielen Stopps und bis zu 300 Pakete pro Arbeitstag. „Zwei Tonnen pro Tag oder einen Elefanten trägt jeder Zustellende durchschnittlich aus, wie es beispielsweise Verdi auf den Punkt bringt.“ Um die damit zusammenhängende Belastung für die Paketboten aufzuzeigen, ließ Betriebsseelsorger Wittmann die Anwesenden Pakete mit 31,5 Kilogramm durch den Raum tragen. „Gehen Sie dem Paketboten, wenn Sie einigermaßen gut auf den Beinen sind, doch ein Stockwerk entgegen.“ Hilfreich sei auch eine Haltung der Nachsicht, wenn mal was vor der Haustüre liege oder der Lieferwagen kurzzeitig mal die Einfahrt blockiere.
Solche „Schwergewichte“ würden in die Transporter gewuchtet oder treppauf geschleppt. Selbst bei der geforderten Reduzierung auf 20 Kilo, was dem Gewicht einer vollen Bierkiste, allerdings ohne die praktischen Griffe, entspreche, ließen sich die Pakete noch schleppen. Auch dies bewies Wittmann den KAB-Mitgliedern im Selbstversuch. Es wundere nicht, dass die Post-, Kurier- und Expressdienste unter 99 Branchen die dritthöchste Quote bei den Krankheitstagen aufwiesen, sagte er.
Wegen der geschilderten Bedingungen fordere die KAB Politiker und Unternehmen auf, das Subunternehmertum zu beenden und den Zustellerinnen und Zustellern Direktanstellungsgebote zu machen. Zudem müssten durch stärkere Kontrollen Rechtsbrüche beendet und das bestehende Arbeitsrecht durchgesetzt werden. Eine dritte Forderung betreffe den Gesundheitsschutz durch eine Begrenzung der Traglast auf 20 Kilogramm für eine Person. Zuletzt stellte Wittmann die Frage: „Müssen wirklich die zehn Flaschen Weichspüler oder der halbe Zentner Hundefutter übers Internet bestellt werden?“ (Text: Richard Wittmann, Bilder: Jürgen Dötsch)